Orjät - Live Action Role Play als Kunst
Nachdenken über die Abhängigkeit von der Technologie, das Potenzial einer transhumanen Zukunft und die Bedeutung des freien Willens angesichts der Dringlichkeit des ökologischen Wandels anregen
ÖRJÄT wurde auf dem Prinzip eines künstlerischen LARP (Live Action Role Play) - einem narrativen Spiel, in dem die SpielerInnen die Ziele ihrer Charaktere in einem fiktiven Rahmen verfolgen der in der realen Welt präsentiert wird - basiert. Das Szenario von ÖRJÄT sollte zum Nachdenken über die Abhängigkeit von der Technologie, das Potenzial einer transhumanen Zukunft und die Bedeutung des freien Willens angesichts der Dringlichkeit des ökologischen Wandels anregen. Diese Fragen, die von den drei amerikanischen und deutschen Künstlern Becket MWN, Carina Erdmann und Anna Kindermann sowie dem Schweizer Kurator Bernard Vienat entwickelt wurden, führen die TeilnehmerInnen zu mehreren Verhandlungen, die im Umfeld der Insel stattfinden, bevor die endgültige Performance als politisches Treffen auf einer der Festivalbühnen konzipiert wird.
Live Action Role Play ist eine Form der interaktiven Fiktion, die Objekt und Subjekt in der Erzählung selbst verschmelzen lässt und es BetrachterInnen ermöglicht, selbst zum Akteur zu werden. Inhalte werden so nicht nur als Bild oder Gedanke, sondern als verkörpertes Wissen vermittelt und als persönliche Erfahrung gespeichert. Das Format des Rollenspiels war bisher vor allem aus den Wäldern Skandinaviens bekannt, in denen fanatische Spieler die Grenze zwischen Computerspiel und Realität komplett auflösen wollten. Später erkundete Nordic Larp ein breiteres und sogar therapeutisches Potenzial des Formats. Heute könnte es eine vielversprechende Zukunft für die partizipative Kunstpraxis sein, denn LARP fungiert wie ein reales Labor für Gedankenexperimente in temporären Realitäten.
Durch ein fiktives Szenario und Spielfiguren traten etwa zwanzig TeilnehmerInnen in eine Denkweise ein, die es ihnen ermöglichte, Reisen durch die Zeit zu simulieren. Dieses Live-Mind-Experiment fand im Rahmen des PLX-Festivals auf der Insel Tjarö im Blekinge-Archipel, Schweden (UNESCO-Weltkulturerbe) statt und nutzte die Insel als Brücke zwischen fiktivem und physischem Erlebnis. Mit dem Festival vor Ort verschmolzen die Reisenden mit der pulsierenden Partykultur des Jahres 2018, denn Kunst- und Musikaufführungen lieferten einen Live-Soundtrack für das Spiel.
ÖRJÄT wird in der Zukunft im Jahr 2810 angesiedelt, als die Erde unbewohnbar geworden ist. Die einzigen überlebenden Menschen sind die so genannten Marsmenschen - Transhumanisten, die an eine optimierte technoide Zukunft glauben - und die verwurzelten Erdbewohner, die die Vergangenheit verehren. Beide sind von der Erdoberfläche geflohen, um neue Lebensräume zu finden, in denen sie unterschiedliche Zivilisationen aufgebaut haben: die Marsmenschen zum Mars und die Terrestrischen in einem Netz von Tunnelsystemen unter der Erde. Ihre einzige Vereinbarung war, die Erdoberfläche ruhen zu lassen, damit sie sich erholen kann, aber sie befinden sich in sporadischem Kontakt, da die Marsmenschen immer noch auf die seltenen Erdenmineralien angewiesen sind, die die Erdbewohner unter der Erde halten. Die Marsmenschen haben die Erdbewohner zu einem Treffen nach Tjärö eingeladen, um über diese lebenswichtigen Ressourcen zu verhandeln. Sie haben einen Weg gefunden, sich in die Köpfe der Menschen der Vergangenheit zu hacken: Durch Mind Inducement (MI) sind Marsmenschen und Terrestriker von 2810 in der Lage, ihr Bewusstsein 2018, vor dem Zusammenbruch der Biosphäre der Erde, in den Körper und Geist eines lebenden Menschen zu projizieren. Das Handelstreffen auf Tjärö wird eine erste Zusammenkunft für die beiden seit langem getrennten Gruppen sein.
Dieses Projekt ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen art-werk, Plain Heart Fare und PLX Festival.